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Artikel vom 01. August 2017

Gründerstory: Aus der Komfortzone heraus – und sicher gelandet

Arbeitsschutz-Fachfrau Jana Melchior hat den Überblick im Regeldschungel und erobert mit weiblicher Intuition ihren Platz in einer von Männern dominierten Branche. Foto: Nadja Hansen WHY

„Wenn die Leute Arbeitsschutz hören, verdrehen sie meist die Augen, weil das einfach nur langweilig klingt.“ Jana Melchior lacht, und man merkt: Die frischgebackene Existenzgründerin hat Spaß an ihrem Job. Nicht nur, weil er weitaus mehr Bereiche umfasst, als man denkt. Bei der Beratung ist jede Menge Einfühlungsvermögen gefragt – und in der männerdominierten Branche eine gute Portion Durchsetzungskraft. Die hei. hat sich mit der 43-jährigen über ihren Schritt in die Selbstständigkeit unterhalten.

Viele denken beim Thema Arbeitsschutz vermutlich an Stahlkappenschuhe und Feuerlöscher, so richtig spannend klingt das nicht. Wie hast Du Zugang zu diesem auf den ersten Blick spröden Arbeitsfeld gefunden?

Während des Studiums – ich bin Ingenieurin für Landeskultur und Umweltschutz – fiel mir auf, dass viele Betriebe einen Umweltbeauftragten benötigen. Also habe ich eine Weiterbildung zur „Referentin für betrieblichen Umweltschutz und Fachkraft für Arbeitssicherheit“ gemacht. Während des Praktikums bei der EXPO packte mich dann die Begeisterung. Der Arbeitsschutz durchdringt ja sämtliche Bereiche eines Unternehmens. Ziel ist es, dass die Arbeitnehmer jeden Abend gesund an Geist und Körper nach Hause gehen. Ich prüfe, welche Maßnahmen getroffen werden müssen und wo es Spielräume gibt. Viele Regeln lassen sich heute flexibler auslegen. Das verlangt mehr Eigenverantwortung und macht eine individuelle Beratung notwendig.

Was hat ein Obstkorb mit Arbeitsschutz zu tun? Für Jana Melchior ganz viel, denn so unterstützen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter dabei, auf ihre Gesundheit zu achten. Auch und gerade während der Arbeitszeit. Foto: Nadja Hansen WHY

Du warst als Angestellte eines überbetrieblichen Dienstes 15 Jahre lang im Bereich Arbeitssicherheit tätig. Gab es nach so langer Zeit einen konkreten Anlass zu gehen?

Neben kleineren Betrieben habe ich viele Jahre deutschlandweit ein Unternehmen betreut und ein 12-köpfiges Team aufgebaut, ich konnte autark arbeiten und hatte das Vertrauen meiner Kunden. Anfang 2016 wurden fast alle Mitarbeiter und Kunden an einen neuen überbetrieblichen Dienst überführt und vieles wurde komplizierter. Die Situation war extrem unbefriedigend und ich rieb mich regelrecht daran auf. Bis dahin hatte ich eine Selbstständigkeit immer ausgeschlossen, aber Ende 2015 ließ ich den Gedanken plötzlich zu – zwar langsam, aber nachhaltig. Am 15. März 2017 habe ich dann gegründet.

Individuelle Beratung vor Ort ist unersetzlich – Mit der Taschenscheibe „Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe kompakt“ gibt Jana Melchior einen Überblick über Gefahrenherde. Foto: Nadja Hansen WHY

Aber vom ersten Gedanken bis zur Gründung verging immerhin mehr als ein Jahr. Warum hast Du gezögert?

Ich hatte eine lange Kündigungsfrist und natürlich ist mein Job, Risiken abzuwägen. Aber im Ernst: Ich hatte mich verändert, das gab den Ausschlag. Als im März 2016 der Hamburger Gründertag stattfand, ging ich hin, ohne Plan und ließ mich von Hamburgs Gründerszene inspirieren. Das Angebot der hei. hat mich begeistert und ich besuchte spontan mehrere Vorträge. Auf dem hei.scheckheft stand „Selbstständigkeit kann man lernen“, dieser Satz traf mich wie ein Blitz. Genau, dachte ich und die Idee wurde konkreter. Als ich Ende Mai 2016 kündigte, stand mein Mann voll hinter mir und ich freute mich auf die neue Herausforderung!

Wie hast Du Dir in diesem vorwiegend von Männern dominierten Bereich Respekt verschafft? Hat es möglicherweise Vorteile, von einer Frau beraten zu werden?

Sicher, Frauen beraten anders. Ich fokussiere mich weniger auf die technischen Aspekte und lege mehr Emotionen hinein, insbesondere bei weiblichen Ansprechpartnern kommt das gut an. Ich kann mich in die Arbeitnehmer hineindenken, ich bin zweifache Mutter und musste vieles deichseln. Wenn mich ein Unternehmen engagiert, findet das erste Treffen vor Ort statt, wo ich mich mit den betriebsspezifischen Besonderheiten vertraut mache. Dann ergründe ich, warum ich angerufen wurde: Gab es einen Vorfall, geht es um Auflagen des Gesetzgebers oder besteht der Wunsch den Arbeits- und Gesundheitsschutz aktiv zu gestalten? Neben den Pflichten gibt es eine Menge Kann-Bereiche, hier gilt es mit Intuition abzuwägen, was für das Unternehmen förderlich ist.

Als Einzelunternehmerin bist Du nicht nur für die Durchführung, sondern auch für die Akquise verantwortlich. Wie baust Du Dir Deinen Kundenstamm auf?

Viel läuft über Empfehlungen und das Netzwerk, das ich mir aufgebaut habe. Ab Oktober 2017 betreue ich zwei frühere Kunden. Denen hatte ich nur eine nette Weihnachtskarte geschrieben, und prompt klingelte das Telefon. Das zeugt von viel Vertrauen in meine Arbeit. Zum Thema Vertrieb belege ich demnächst ein hei.seminar. Dafür war ich früher nur zu einem kleinen Teil verantwortlich. Jetzt ist der Vertrieb ausschlaggebend, um überhaupt zeigen zu können, was ich drauf habe. Gerade die kleinen Unternehmen sind häufig noch ohne Betreuung, es gibt also viel zu tun.

Ortstermin und Bestandsaufnahme: Neben den gesetzlichen Anforderungen gibt es im Arbeitsschutz etliche Kann-Regelungen, die mit einem differenzierten Blick auf die Unternehmenskultur diskutiert werden müssen. Foto: Nadja Hansen WHY

Das klingt nach jeder Menge Überzeugungsarbeit. Gibt es Kunden, die eher blocken und andere, die leichter zu überzeugen sind?

Oh ja. Der Satz „die meisten Vorschriften wurden mit Blut geschrieben“ ist leider allzu wahr, oft geschieht erst etwas, nachdem etwas passiert ist. Jeder Euro, der in den Arbeitsschutz investiert wird, kommt um ein Vielfaches zurück. Es ist nicht zu unterschätzen, was Unfälle und Krankheit kosten. Größere Unternehmen haben das inzwischen erkannt, daher kommen aus dieser Ecke auch viele Arbeits- und Gesundheitsschutzinnovationen. Künftig möchte ich mich mehr im sozialpädagogischen Bereich und im Pflegebereich spezialisieren. Ich möchte Menschen helfen, die Gefahr laufen, sich aufzureiben, dabei ist mir besonders die psychische Komponente wichtig. Auch die ist Teil des Arbeitsschutzes.

Auch Gründer brauchen in den Anfängen nicht nur praktische, sondern auch moralische Unterstützung. Wobei hat Dir die hei. geholfen?

Im November 2016 hatte ich ein Beratungsgespräch bei Frau Bruns. Das Gespräch war sehr offen, ich habe mich angenommen gefühlt. Frau Bruns hat mich auch auf das Gründer-Kompetenz-Zentrum aufmerksam gemacht und die Möglichkeit, einen Gründungscoach hinzuzuziehen. Mit meinem Coach – einer Frau – habe ich den Businessplan erstellt, gerade beim Finanzteil war sie eine wichtige Hilfe. Aus dem hei.scheckheft habe ich Seminare zu Buchhaltung, Steuern, Datenschutz und Medienrecht belegt. So wurden viele Hemmungen und Ängste abgebaut. Auch das Gründerfrühstück der hei. ist toll zum Netzwerken.

Welchen Rat würdest Du anderen potentiellen Gründern geben, die ebenfalls raus aus der Komfortzone wollen, sich aber noch nicht trauen?

Sucht Euch Unterstützung! Wenn die Familie oder der Partner nicht hinter einem stehen, wird es schwierig, gerade wenn man eine gesicherte Position verlässt. Fleiß und Initiative zahlen sich aus. Beim Businessplan habe ich den Textteil alleine gemacht, darauf bin ich stolz. Letztlich schreibt man den auch, um sich klar zu machen, was man will und in welche Richtung es gehen soll. Auch einen Teil meiner Vertragsentwürfe habe ich selbst geschrieben und dann von meinem Anwalt prüfen lassen. Der war begeistert und wollte nur was für die Kaffeekasse. In neue Bereiche reinzugehen bringt viel Selbstvertrauen. Den Satz „Selbstständigkeit kann man lernen“ kann ich nun doppelt und dreifach unterstreichen!

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