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Artikel vom 26. Oktober 2021

Gründerstory: Matschhose statt Eau de Parfum

Gründerstory

Nach der Geburt ihrer Tochter entschied sich Susan Lange für den Weg in die Selbstständigkeit. Um so selbstbestimmt Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Sie eröffnete ihren eigenen Laden „Tonis Welt“, in dem sie Schönes für Kinder aus zweiter Hand verkauft. Foto: WHY, Nadja Hansen.

Als Aha-Moment beschreibt Susan Lange jenen Augenblick, in dem sie in ihrem künftigen Laden stand und wusste: Das bin ich! Der einzige Haken: Die 45-Jährige war nach der Elternzeit gerade erst in ihren Vollzeitjob als Führungskraft in einer Parfümeriekette zurückgekehrt. War sie bereit für diesen Schritt? Aber wann, wenn nicht jetzt? Gesagt, getan. In „Tonis Welt“, benannt nach ihrer Tochter, verkauft Susan seit Mitte Juli Schönes für Kinder aus zweiter Hand: Kleider, Bücher, Spielzeug und Accessoires. Und erweist sich dabei einmal mehr als Verkaufstalent.

Beruflich ging es für Susan lange stetig bergauf. Ausbildung zur Visagistin bei der Parfümerie-Filialkette Douglas, Führungsakademie, Filialleitung, nach 17 Jahren dann der Wechsel zu einem mittelständischen Parfümerieunternehmen, Bereichs- und schließlich Regionalleitung. Ein 60-Stunden-Job. Immer auf Achse. Doch dann lernte die gebürtige Mecklenburgerin ihren Mann kennen und wurde mit 41 Jahren Mutter. „Als ich nach einem Jahr Elternzeit wieder voll einstieg und Toni in die Kita kam, merkte ich: Ich will das nicht mehr“, sagt sie. „Ich bin nicht so spät Mutter geworden, um so wenig von meinem Kind zu haben.“

Der Zufall wollte es, dass ihre Freundin für die Ladengemeinschaft „House of Glamour“ im Grindelviertel noch Mieter_innen suchte. Selbstständigkeit? Ein eigener Laden? Das konnte sich Susan sofort vorstellen. Aber alles dafür hinwerfen? Oder Teilzeit arbeiten und mit ihrem Arbeitgeber den Trainer_innenbereich für Führungskräfte ausbauen? Den Train-the-Trainer-Schein hatte sie ja in der Tasche. Mit halber Kraft aber, das ahnte sie auch, ließ sich der Neustart und ihr Wunsch nach beruflicher Unabhängigkeit kaum verwirklichen. Also schied Susan im Dezember 2020 aus. Und begann „im Affenzahn“, ihre Gründung vorzubereiten. An der Secondhand-Idee gefiel ihr vor allem der nachhaltige Ansatz. „Die Kleidung ist nahezu schadstofffrei, und wir sparen Rohstoffe.“

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Susan Lange verzahnt ihren Laden „Tonis Welt“ im Hamburger Grindelviertel mit einem eigenen Online-Shop sowie dem Angebot von Video-Shopping. Und wenn etwas im Sortiment fehlt, besorgt Susan das Gewünschte extra und individuell. Foto: WHY, Nadja Hansen

Mit exzellentem Service punkten

Obwohl sie in Handel und Verkauf jede Menge Know-How mitbrachte, wurde der Gründerin schnell klar, dass sie als Einzelunternehmerin mehr Hintergrundwissen brauchte. „Das hei.scheckheft und die Seminare waren eine unglaubliche Unterstützung genau zur richtigen Zeit“, sagt Susan. Gemeinsam mit Nicole Stroot machte sie die Liquiditätsplanung. Und erstellte im Seminar mit Claudia Pastorino einen Businessplan. „Drei Jahre vorausplanen ist ein ganz schöner Aufwand. Aber wahnsinnig wichtig, wenn man davon leben möchte. Schließlich habe ich die Gründung aus eigenen Mitteln gestemmt.“ Befragungen zur Zielgruppe, zum Standort und zu möglicher Konkurrenz schlossen sich an. Immerhin steckt der stationäre Handel tief in der Krise.

Dabei wusste die Gründerin sofort, womit sie punkten kann. „Exzellenter Kundenservice war schon immer mein Ding“, sagt sie. „Die Kund_innen werden bei mir sehr nett abgeholt. Bekommen eine richtige Beratung. Und merken, wie wichtig es ist, die Sachen anzufassen.“ Wer es nicht in „Tonis Welt“ schafft, profitiert von ihrem Videoshopping. „Du sagst, was du brauchst, und ich nehme ein Video von den Sachen auf. Was gefällt, reserviere ich und verschicke es auch“, erklärt sie. Gerade ist ihr Onlineshop fertig geworden. Darin will sie diesen Bereich weiter ausbauen. „Onlinehandel und stationären Handel zu verzahnen, ist viel Arbeit. Aber zum Glück gibt es Online-Warenwirtschaftssysteme wie `Easy to run´ speziell für Secondhand“, freut sich Susan.

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Persönliche Akquise von neuen Kund_innen in Kindergärten oder auf dem Spielplatz ist Susan besonders wichtig. Zusätzlich macht sie Werbung für ihren Laden auf Instagram. Foto: WHY, Nadja Hansen

Mehr Ladenfläche – aber um welchen Preis?

Ein guter Kontakt zu den Familien, die ihr auf Kommissionsbasis Ware liefern, ist allerdings die Voraussetzung. 40 Prozent des Verkaufspreises dürfen sie behalten. 60 gehen an Susan. Viele Stammkund_innen, die bei ihr kaufen, aber auch wieder verkaufen, konnte sie bereits gewinnen. Über gesponserte Posts auf Instagram gewinnt sie Follower. Aber nicht weniger wichtig ist der Gründerin die persönliche Akquise auf Spielplätzen und in Kindergärten mit ihren Flyern.

Einziges Manko derzeit: Die Ladenfläche von 4 mal 2 Metern reicht kaum aus, um die Nachfrage zu decken. „Der Vorteil an der Ladengemeinschaft ist, dass die Mieten günstig sind. Und auch andere Mieter_innen das nicht Vollzeit machen. Es ist also immer eine von uns hier und verkauft für die anderen mit“, erklärt sie. „Mache ich den Laden alleine, brauche ich Personal. Denn an drei Nachmittagen möchte ich meine Tochter vom Kindergarten abholen.“ Die geringe Fläche kompensiert sie derzeit, indem sie das Gewünschte extra besorgt. Und um die eher kleine Gewinnmarge für Gebrauchtes auszugleichen, hat sie auch Neuware ins Sortiment genommen.

„Es wird eine andere Energie produziert. Das trägt.“

Den Austausch mit Gleichgesinnten schätzt Susan gerade bei solchen Fragen besonders – z.B. über das Gründernetzwerk der hei. für Frauen. „Wir sind vier Frauen mit ganz unterschiedlichen Skills, die sich austauschen und unterstützen. Sei es bei Keywords, Texten oder einfach mit einem neuen Blickwinkel.“ Manchmal müsse sie noch lernen, geduldig zu sein, gesteht Susan und lacht. „Entweder du investierst Geld oder Zeit. Deshalb habe ich auch die Website gestalten lassen. Und mir Unterstützung bei der hei. geholt.“ Der Fleiß, den der/die Selbstständige mitbringen müsse, komme allerdings ganz von alleine. „Denn es wird eine andere Energie produziert. Du arbeitest selbstbestimmt. Das trägt“. Selbst in Krisen helfe ihr eine Grundüberzeugung, die sie auch an andere Gründer_innen weitergeben möchte: „Wenn du als Mensch mutig bist, und auch bereit bist, Misserfolge einzustecken, dann bekommst du irgendwann ein Geschenk zurück.“

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