Düfte, Sinnlichkeit und individuelle Parfumkreationen – das ist das Herzensprojekt von Dr. Claire Guillemin. Statt auf Massenware setzt sie auf persönliche Duft-Erlebnisse, die Freude, Erinnerungen und Emotionen wecken. Mit ihrem Parfum-Atelier bringt sie das französische Konzept der individuellen Duftgestaltung nach Hamburg und ermöglicht es ihren Gästen, hochwertige Düfte selbst zu kreieren.
Wir haben Claire zu ihrer Gründungsgeschichte befragt und erfahren, wie sie ihre Leidenschaft für Düfte, ihre internationale Erfahrung und ihre Expertise im Parfumrecht in ein eigenes Unternehmen verwandelt hat:
„Ich bin Französin und lebe seit über 20 Jahren in Hamburg, wo ich an der Bucerius Law School über Parfumrechtsschutz promoviert habe. Daraufhin habe ich für die International Fragrance Association (IFRA), die für die Sicherheit und Qualität von Duftstoffen zuständig ist, gearbeitet und Lobbyarbeit für die Duftindustrie bei den Europäischen Institutionen in Brüssel geleistet. Dort habe ich viele interessante Personen getroffen und viel Erfahrung in „Duftevents“ gesammelt.
Mein Job ist es, gut zu riechen und Personen gut riechen zu lassen – sozusagen „make the world a better place“. Mir liegt es am Herzen, den „vergessenen“ Geruchssinn sowie die Sinnlichkeit und Freude, die damit verbunden sind, wieder zu erwecken und meine Liebe und Expertise für Düfte weiterzugeben. Dafür habe ich ein Parfum-Atelier, ein Konzept aus Frankreich, nach Hamburg gebracht, in dem meine Gäste ohne großen Aufwand individuelle und hochwertige Düfte kreieren können. Das bedeutet viel Arbeit, aber auch viel Spaß: Duftnoten aussuchen und bestellen, Räume besichtigen und vermieten, die perfekten Messbecher oder Flakons auswählen, die Internetseite aufbauen, den Finanzplan kalkulieren, Google Ads schalten … ich langweile mich nicht!“

Foto: Mohammed Alhaibi
Das Interview mit Dr. Claire Guillemin – Parfum-Atelier:
Nicht nur deine Gründungsidee, auch dein Werdegang ist besonders – vom Parfumrecht zur eigenen Duftwerkstatt. Was hat dich angetrieben, das Parfum-Atelier in Hamburg zu gründen?
Die Idee, ein Duftzentrum nach Hamburg zu bringen, hatte ich schon immer. Durch die Begegnung mit Stephanie Schaub vom Chocoversum, die dann meine Mentorin wurde, und nach einer Reise nach Grasse, wo ich Kurse im Parfumrecht an der Universität gab, habe ich das Konzept ziemlich schnell entwickelt.
Wie gelingt es dir, die manchmal vielleicht vernachlässigte Sinneswelt des Geruchs wieder spannend und greifbar zu machen?
Ob es mir gelingt, müssen meine Gäste beurteilen, aber bisher scheinen sie sehr zufrieden zu sein und das ist nicht erstaunlich, weil Riechen glücklich macht: Es nimmt uns weg vom Kopf und seiner Negativität, zurück in den Körper und ins Fühlen. Ich versuche auch, viele spannende Irrglauben und Annahmen aufzulösen: dass nur wenige Auserwählte riechen können, dass man seinen Lieblingsduft finden muss oder dass nur natürliche Duftstoffe gut sind. Außerdem arbeite ich sehr gerne mit Kindern und Jugendlichen, die wissen sollten, wie viele schöne und spannende Berufe es in der Duftindustrie gibt.
Was war der ungewöhnlichste oder persönlichste Duft, den du in einem Atelier mit Teilnehmer:innen gestaltet hast, und welche Geschichte steckt dahinter?
Es gibt so viele schöne und spannende Geschichten, dass es schwer ist, eine auszuwählen, aber eine war tatsächlich besonders witzig. Eine Kundin wollte gerne einen erdigen Duft und war etwas enttäuscht, als sich die erdigen Duftnoten doch nicht so toll entwickelten und alles sehr blumig wurde. Daraufhin habe ich ihr eine Note vorgeschlagen, die eigentlich nicht zum Standardprogramm gehört: Zibet, ein Duftstoff, der aus den Perianaldrüsen der Zibetkatze gewonnen wird – in diesem Fall synthetisch – und der an Mist oder Urin erinnern kann. Solche Noten, in Minidosen, sind besonders spannend, weil sie einer Komposition eine echte Aura geben.
Und siehe da: Die Dame hatte viele Katzen zu Hause. Ein paar Tropfen später entstand am Ende ein total schöner, facettenreicher Duft, der an ihren Hintergarten erinnerte.

Foto: Mohammed Alhaibi
Für viele ist ein Workshop zur Duftkreation eine Art Sinneserlebnis-Moment. Wie gestaltest du das Erlebnis – und welche Reaktionen bleiben dir besonders im Gedächtnis?
Das stimmt. Es geht dabei um Sinnlichkeit und Fühlen. Daher sind die Namen der Duftnoten anfangs nicht sichtbar, damit die Gäste nicht von ihren Vorlieben und Vorurteilen beeinflusst werden. Eine Teilnehmerin war zum Beispiel total überrascht, dass sie Mandel so toll fand, obwohl sie Marzipan gehasst hat! Hätte sie den Namen vorher gelesen, hätte diese schöne Duftnote wahrscheinlich keine Chance bei ihr gehabt.
Du bietest Ateliers u. a. in mehreren Sprachvarianten an (auch Englisch und Französisch). Wie beeinflussen Kultur oder Sprache die Duftwahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer?
Bei der Sprache habe ich wenig Unterschiede gemerkt, dagegen beim Alter oder bei der Erfahrung mit Düften. Jugendliche greifen zum Beispiel zielsicher zu Vanille oder Pfingstrose, während die Älteren oder Erfahrenen sich an polarisierende Noten wie Oud, Vetiver oder Patchouli trauen. Wobei ich bei Patchouli glaube, dass es damit zusammenhängt, dass es ein sehr modischer Duft war, der mit Jugenderinnerungen verknüpft ist.

Foto: Mohammed Alhaibi
Was bedeutet dir Nachhaltigkeit oder Ethik in Duftstoffen? Und wie wählst du die Essenzen aus?
Die Duftindustrie ist extrem reguliert, was keiner will, sind Shitstorms und Allergien. Die wenigen tierischen Produkte, mit denen man noch arbeiten kann, unterliegen strengen Standards. Während die absolute Mehrheit der Duftstoße vegan ist, habe ich mich auch bewusst gegen eine rein vegane Orgel entschieden, denn es gibt Menschen, die animalische, sinnliche Düfte wollen, und die erreicht man eben gut mit animalischen oder musischen Duftnoten.
Etwas komplizierter ist es bei den Accessoires, nachhaltig zu bleiben, wobei ich mittlerweile sehr gute Lieferanten gefunden habe. Jeden Monat biete ich auch ein „Gut riechen und gutes Tun“-Atelier, bei dem der Erlös gespendet wird. Ich lade auch regelmäßig Gäste ein, die es sich sonst nicht leisten könnten, sich so eine Auszeit und etwas Schönes für sich zu gönnen.
Du gibst nicht nur einmalige Workshops, sondern bietest auch Nachbestellungen an – welche Rolle spielt so ein persönlicher Duft im Leben der Teilnehmer:innen über das Atelier hinaus?
Wir leben in einer sehr ergebnisorientierten Gesellschaft, daher rate ich meinen Gästen immer, sich auf das Erlebnis und nicht nur auf das Ergebnis zu konzentrieren. Allein die zwei Stunden sind schon wunderbar und im besten Fall wird daraus sogar der Lieblingsduft. Daher ist es wichtig, dass er nachbestellt werden kann. Die Düfte riechen immer gut und individuell, aber ich rate dringend davon ab, den Druck zu verspüren, „den Duft seines Lebens“ kreieren zu müssen. Vielmehr sollte er einer von vielen Düften im Parfumschrank sein, verbunden mit der Erinnerung an eine besondere Zeit mit den Liebsten oder an einen besonderen Anlass.
Tatsächlich kommen die Gäste oft zu Geburtstagen, Hochzeiten oder Junggesell:innenabschieden und haben dabei sehr viel Spaß und Freude zusammen.
Und zum Schluss: Was würdest du Gründer:innen mitgeben, die gerade am Anfang einer schönen Idee stehen – was hast du selbst gebraucht, als du starten wolltest?
Probiere es auch aus und finde es heraus. Es war viel Arbeit, ich bin jedoch wahnsinnig kreativ und alles, was ich gebraucht habe – und mehr – hatte ich: viel Erfahrung, ein großes Netzwerk, genug Startkapital, eine total coole Mentorin und viel Support von allen Seiten. Dazu muss man sagen, dass meine Duftnoten es mir auch leicht machen, weil sie einfach unwiderstehlich sind. Seit September habe ich ganz viel Neues zum Schnuppern: Granatapfel, Lakritz, Jod, Leder, Linde, Pfeffer, Mango … Probiere es auch und finde es heraus.
Vielen Dank für das tolle Interview.
Mehr Informationen findet ihr unter www.parfum-atelier.de.

